Die Normannen by Albert Stähli
Autor:Albert Stähli [Stähli, Albert]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Frankfurter Societäts-Medien GmbH
veröffentlicht: 2017-07-05T00:00:00+00:00
Auch Theologie, Schriftkunde, Musik, kirchliches und weltliches Recht werden in Le Bec gelehrt. Das Kloster beteiligt sich an theologischen Debatten. Obwohl ein Schulgeld nicht üblich ist, werden die Klöster von den Eltern ihrer Schüler oft reich beschenkt. Auf diese Weise gelangt die Abtei zu großem Wohlstand. Auch der zukünftige Papst Alexander II hat in Le Bec studiert, ebenso wie Wilhelm von Bonne-Ame, der nachmalige Erzbischof von Rouen, und zahlreiche Bischöfe und Äbte, die das Denken Lanfrancs und seiner Nachfolger in der Normandie, im Frankenreich und darüber hinaus verbreiten.
Die Abtei Mont Saint Michel
Der exzeptionell gelegenen Abtei von Mont Saint Michel an der Nordwestküste Frankreichs kommt eine besondere Bedeutung zu. Auf einer Insel im Wattenmeer unweit der Küste existiert schon seit dem frühen 8. Jahrhundert ein Kloster. Die Normannen erkennen den strategischen Wert der Insel sofort. Bereits im 11. Jahrhundert beginnen sie, eine riesige, gut befestigte Klosteranlage zu errichten, deren Bau mehr als 500 Jahre in Anspruch nehmen wird. In Mont Saint Michel wirkt ab 1033 der Italiener Suppo, ein Schüler Wilhelm von Valpianos. Auf der einsamen Klosterinsel inmitten des stürmischen Übergangs vom Atlantik zum Ärmelkanal baut er eine Bücher- und Schriftensammlung auf, die in Europa ihresgleichen sucht und Gelehrte aus aller Welt anlockt. Neben anderen veranlasst sie den Venezianer Anastasius, einen der wenigen Kenner des Griechischen in dieser Zeit, dort als Mönch einzutreten.
Das mittelalterliche Klosterleben ist geprägt vom regen Austausch zwischen Klerus und Adel und von einem kontinuierlichen Lehren und Lernen. Die Führungsschicht, sowohl die weltliche als auch die geistliche, entstammt ausschließlich adligen Familien. „Die Bischöfe, die eine so große Rolle spielten, waren fest in der Aristokratie verankert (…), waren deswegen aber nicht notwendigerweise schlechtere Bischöfe.“ (Brown, R. A., 1991, S. 38) Robert von Evreux, Sohn Richard I, ist als Erzbischof von Rouen und Graf von Evreux einer der mächtigsten Männer im Reich.
Caecilia, eine Tochter Wilhelm des Eroberers, wirkt als Äbtissin im Kloster von Caen. Auf diese Weise gelingt es dem Herzog schnell und effektiv, Einfluss auf Kirchen und Klöster zu nehmen und ihm sinnvoll scheinende Veränderungen umzusetzen. Und was sich in der Normandie als erfolgreich erwiesen hat, wird nach der Eroberung Englands dort ebenso erfolgreich fortgeführt.
England nach der Eroberung
Kaum zum König Englands gekrönt, ersetzt Wilhelm der Eroberer den einheimischen Klerus durch Bischöfe, Äbte und Kirchenherren aus seinem fränkischen Umfeld. „Wilhelm brauchte Bischöfe, denen er blind vertrauen konnte, weil er ihnen in seinem neuerrungenen Königreich wichtige Aufgaben als Mitregenten zugedacht hatte“, begründet der Historiker Trevor Rowley. (Rowley, T. 2003, S. 99) Die neu eingesetzten Würdenträger tragen den in den normannischen Klöstern weiterentwickelten Reformgedanken auf die Insel.
Lanfranc aus dem Kloster in Le Bec-Hellouin wird zum Erzbischof von Canterbury und zum wichtigsten Berater des Königs. „In seiner Zeit als Erzbischof von Canterbury entdeckte Lanfranc Talente auf dem Gebiet der Staatskunst, der Verwaltung und der Politik, die mindestens seiner Begabung auf dem Gebiet des Lehrens und Unterrichtens entsprachen.“ (Rowley, T., 2003, S. 101) Unter seiner Ägide wird unter anderem die geistliche Gerichtsbarkeit von der weltlichen getrennt. Nur das Ehe- und Erbrecht, die Strafgerichtsbarkeit bei Verleumdung, Eidbruch und der Beleidigung von Priestern bleibt Angelegenheit der Kirche.
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